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Das Ende der Sterne-Kategorien?
Es lässt sich zudem der Trend beobachten, dass die
Bedeutung der Sterne in der Hotellerie generell sinkt.
Im Luxussegment ist diese Entwicklung dem Umstand
geschuldet, dass die Häuser den „Compliance“-Regeln
der großen Firmen nicht mehr entsprechen. Bei vie-
len anderen Konzepten, wie zum Beispiel denen der
„25hours“-Hotels, erweist sich eine Einsortierung nach
Sternen als fast unmöglich: Diese Hotels sind derart indi-
viduell gestaltet, dass bestimmte Bereiche lediglich einen
2-Sterne-Anspruch aufweisen, andere jedoch weitaus
hochklassiger anzusiedeln sind. Auch Trendhotels wie
das Michelberger in Berlin, das East in Hamburg oder das
Roomers in Frankfurt entziehen sich auf diese Weise jeder
Kategorisierung.
Multifunktionale Wohnzimmer
Unabhängig von der jeweiligen Preiskategorie ist das heutige
Hotel nicht mehr bestrebt, den Gast durch Pomp zu beeindru-
cken. Es verfolgt vielmehr das Ziel, eine Wohlfühlatmosphäre
zu erzeugen. So ist die Lobby nun mehr Wohnzimmer als ein
Ort der Repräsentation. Zudem setzen die Hotelbetreiber ver-
stärkt auf die Multifunktionalität der Räume. Lobby, Bar und
Restaurant verschmelzen zum Beispiel zusehends.
Zielgruppenspezifische Konzepte
Hotels stellen sich nicht mehr als „everybody’s darling“ dar,
sondern positionieren sich für eine spezielle Zielgruppe: So
verfügen Harry’s Home Hotels über einsehbare Bereiche
vor den eigentlichen Zimmern, in denen im Winter das
schicke Snowboard stehen darf und im Sommer das hippe
Mountainbike. Das Ushuaia Ibiza Beach Hotel bucht man
nur dann, wenn man tagsüber schlafen möchte, um nachts
auszugehen. Dolce und Maritim konzentrieren sich auf
große Konferenzen und Tagungen, und der Leuchtturm von
Dagebüll ist mittlerweile eine romantische Honeymoonsuite.
Le Méridien verschreibt sich der Kunst und Kultur, während
sich die W-Hotels auf ein junges, zahlungskräftiges Publikum
mit Fashionpassion konzentrieren. Es ist davon auszugehen,
dass diese Trends auch weiterhin von den „Kleinen“ gelebt
werden und die großen Ketten eher eine zusätzliche Marke
erfinden, um nicht den Anschluss zu verlieren. Marriott,
Hilton, InterContinental und Sheraton zählen dagegen nach
wie vor zu den klassischen Hotels. Sie sind kaum in der Lage,
unmittelbar auf Neues zu reagieren. Dazu müssten mit einem
Milliardenaufwand Tausende von Hotels umgebaut werden.
Sie hängen in der Regel mit dem Renovierungsintervall von
rund fünfzehn Jahren hinterher – was ich persönlich inzwi-
schen ganz erholsam finde.
Peter Joehnk
geboren 1957 in Kronach, DE
studierte in Kaiserslautern Innenarchitektur. Kurz nach seinem
Diplom erweiterte er seine Kenntnis durch ein Fernstudium mit
dem Schwerpunkt „Ökologisches Bauen“. Wenig später gründete
er sein eigenes Büro. Neben Mitgliedschaften und Ämtern in ver-
schiedenen internationalen Berufsverbänden lehrte er auch an der
Muthesiusschule in Kiel. Seit 2003 leitet er zusammen mit seiner
Frau Corinna Kretschmar-Joehnk das Büro JOI-Design. Zusammen
veröffentlichten sie Bücher zum Thema „Hotel und Design“ im
Verlagshaus Braun und im Callwey Verlag.
PORTRäT
Individuell gestaltete Wände, besondere Möbel im Retrodesign und eine
Badewanne auf dem Balkon: Das von Dreimeta gestaltete 25hours Hotel in
Wien hat nicht mehr viel mit gewöhnlichem Hoteldesign zu tun – Vorbild ist
vielmehr die Welt des Jahrmarkts und des Zirkus. (links.)
Foto: Steve Herud
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